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Unerwünschte Pflanzen im Gleisbereich Wie die Bahnen das Unkraut ohne Herbizid in Schach halten wollen

Damit der Bahnbetrieb sicher abgewickelt werden kann, sind die Bahnen dazu verpflichtet, die Fahrbahnen vegetationsfrei zu halten. Bisher kam für die Unkrautbekämpfung im Gleisbereich vor allem das Herbizid Glyphosat zum Einsatz. Das möchten die Bahnen ändern und prüfen diverse alternative Methoden.

Damit ein sicherer Bahnbetrieb gewährleistet werden kann, müssen die Bahnen die Vegetation im Gleisbereich unter Kontrolle halten. Foto: BAFU

Die meisten möchten ganz davon weg. Den Einsatz soweit möglich reduzieren wollen sie alle. Die Rede ist vom Herbizid Glyphosat, das von den Bahnen gegen den Pflanzenbewuchs im Fahrbahnbereich eingesetzt wird. Die Bahnunternehmen sind aus Sicherheitsgründen dazu verpflichtet, ihre Gleisanlagen möglichst vegetationsfrei zu halten.

Nur so kann die Sichtbarkeit von bodennahen Signalen, die Stabilität des Untergrunds und damit auch jene der Geleise gewährleistet werden. Zudem müssen die Bahnen Geh- und Fluchtwege entlang der Fahrbahn hindernisfrei halten.

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Um dies sicherstellen zu können, ist bisher der Einsatz des Herbizids Glyphosat – das seit dem Atrazin-Verbot zu Beginn der 1990er Jahre der einzige vom Bundesamt für Verkehr zugelassene Wirkstoff zur Unkrautbekämpfung im Bahnbereich ist – unumgänglich. Wird Glyphosat richtig angewendet, ist die Belastung für die Umwelt gemäss dem Kompetenzzentrum des Bundes für die landwirtschaftliche Forschung Agroscope zwar relativ gering, aber dennoch da. Unter gewissen Umständen können Restmengen des Herbizids gar bis ins Grundwasser gelangen.

Präventive Massnahmen schränken Wachstum ein

Um den Bewuchs der Fahrbahn von Beginn weg weitestmöglich zu hemmen, treffen die Bahnen bereits beim Bau, respektive bei Unterhalts- und Instandstellungsarbeiten ihrer Gleisanlagen Vorkehrungen. So werden beispielsweise bei der Rhätischen Bahn (RhB) Bankette und Gehwege mit geeignetem Feinplanie-Material angelegt. Bei mehreren Bahnen stellt eine eingebaute Entwässerung sicher, dass das anfallende Gleis Abwasser aus dem Trassenbereich abgeführt wird.

Die Zentralbahn (ZB) grenzt Schotterbetten von den Grünflächen ab, während die Appenzeller Bahnen (AB) bei einer Erneuerung der Strecke den kompletten Unterbau entfernen und eine Fundations- und Sperrschicht einbauen. Bei der Matterhorn Gotthardbahn (MG) wird bei Fahrbahnerneuerungen in der Regel ebenfalls eine Sperrschicht eingebaut. Die beschriebenen und weitere Massnahmen helfen mit, ein mögliches Pflanzenwachstum zu vermindern.

Einen anderen wichtigen Punkt bezüglich Unterhalt spricht Yvonne Dünser, Leiterin Unternehmenskommunikation der RhB, an: «Wichtig ist auch das regelmässige Mähen der Böschungen, um ein Versamen der Pflanzen in den Gleisbereich bestmöglich einzuschränken.»

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Bei den SBB übernehmen diese Aufgabe teilweise tierische Helfer: Derzeit werden im Kanton Bern in Münsingen und in Tägertschi je eine Herde Schafe mit 50 bis 100 Tieren eingesetzt. Möglich, dass die Tiere künftig elektronische Kollegen bekommen: Zusammen mit der Hochschule Luzern arbeiten die SBB an einem Roboter, der dereinst am Streckenrand autonom mähen soll.

All diese Massnahmen hemmen zwar den Bewuchs, können ihn jedoch nicht komplett verhindern. Deshalb wird nach wie vor und insbesondere für die Bekämpfung von Problempflanzen Glyphosat eingesetzt. Ein fachgerechtes und gezieltes Ausbringen des Herbizids ist besonders wichtig. So muss der richtige Vegetationszeitpunkt der zu behandelnden Flächen gegeben sein und die Anwendung darf nur bei trockener Witterung durchgeführt werden.

Um die eingesetzten Mengen des Herbizids so tief wie möglich zu halten, wird das Glyphosat von eigens dafür ausgebildeten Fachkräften von Hand gezielt und – um eine Abdrift zu verhindern – mit möglichst optimierten Geräten, deren Spritzdüsen nahe am Boden geführt werden, ausgebracht.

Verbrauch auf historisches Minimum gesenkt

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In den letzten Jahren konnten alle Bahnen ihren Einsatz an Herbizid dank alternativer Massnahmen teilweise deutlich verringern. Die SBB senkten den Verbrauch gar «auf ein historisches Minimum», wie Mediensprecher Reto Schärli betont. Was ein Blick in die Statistik bestätigt: Im Jahr 2021 lag der Verbrauch von Glyphosat bei den SBB bei 1,9 Tonnen, 2022 noch bei 1,4 Tonnen, 2023 konnte er auf 0,8 Tonnen gesenkt werden.

Möglich gemacht haben dies verschiedene Verfahren, die während den vergangenen sechs Jahren getestet wurden. Derzeit würden davon nur jene operativ eingesetzt, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll seien. «Hierzu zählen für die SBB das Mähen und Jäten sowie die aufwuchshemmende Bauweise», so Schärli.

Auch die BLS greift nur dann auf Glyphosat zurück, wenn es gar nicht anders geht: «Der Einsatz von Herbiziden ist die letzte Variante einer ganzen Kaskade von anderen Massnahmen», bringt es Colin Cuvit, Mediensprecher der BLS, auf den Punkt. Erst wenn der unerwünschten Vegetation weder mit baulichen noch mit mechanischen Massnahmen – wie dem Zurückdrängen der Vegetation oder einem konsequenten Grünflächenunterhalt – beizukommen sei, komme Glyphosat zur Anwendung. «Und auch da nur so wenig wie unbedingt nötig», betont Cuvit.

Heisswasser statt Herbizid

Vor rund vier Jahren haben die Rigi Bahnen mit der Evaluation möglicher Alternativen zum Glyphosat begonnen und zusammen mit der Firma Müller Gleisbau AG erste Versuche mit einem Heisswasser-Dampf-Verfahren namens «Railex» gestartet.

Bei «Railex» kommen einzelne Module wie Tank, Öfen und Düsen zum Einsatz. Sie werden auf einen Tiefgänger – einen speziellen Wagen – geladen. Bei «Railex» handelt es sich um eine Methode der thermischen Unkrautvernichtung, bei welcher eine Kombination von heissem Wasser und Wasserdampf angewendet wird. Das Wasserdampf-Gemisch wird auf 130 Grad erhitzt und durch eine Düse auf die Pflanzen im Gleisbereich gespritzt. Der austretende Heisswasserdampf löst in den Pflanzen einen Eiweissschock aus, der zu deren Vertrocknung führt.

Während der «Railex» Testphase haben die Rigi Bahnen ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Nutzung des Verfahrens an den Produzenten zurückgemeldet. Dadurch konnte die Methode weiter optimiert werden. «Mittlerweile konnten wir das Verfahren fix in die Vegetationskontrolle des Fahrbahnunterhalts aufnehmen», so Jörg Lustenberger, Leiter Betrieb, Technik & Infrastruktur bei den Rigi-Bahnen.

Seit dem Einsatz von Heisswasser würden die Rigi Bahnen nur noch sehr punktuell und in kleinsten Mengen auf Herbizide zurückgreifen: «Dies vor allem dort, wo sehr tiefwurzelnde oder resistente Pflanzen schlecht mit dem Heisswasser kontrolliert werden können.» Die Rigi Bahnen seien mit dem Heisswasser-System sehr zufrieden und würden damit sehr gute Resultate erzielen.

Mittlerweile sind auch andere Bahnen auf den «Railex»-Zug aufgesprungen. Während bei der Südostbahn, der Rhätischen Bahn und bei den Appenzeller Bahnen derzeit Tests mit dem Verfahren laufen, hat die Zentralbahn bereits gute Erfahrungen damit gemacht: «Dieses System hat uns überzeugt und wir werden es auch weiterhin einsetzen», so Thomas Keiser, Leiter Unternehmenskommunikation bei der Zentralbahn. Andere Bahnen wie beispielsweise die Matterhorn Gotthardbahn beobachten die Tests mit dem neuen System, setzen es selbst jedoch noch nicht ein.

Ab 2025 chemische Lösungen «Ultima Ratio»

Die SBB zeigen sich zuversichtlich, dass sie dank alternativer Methoden ab 2025 auf den Einsatz von Glyphosat im regulären Unterhalt verzichten können. Allerdings sei die Reduktion oder gar der Verzicht auf den Herbizid-Einsatz im Kontext einer zunehmenden Ausbreitung von invasiven Pflanzen eine sehr grosse Herausforderung. Weshalb chemische Lösungen voraussichtlich auch danach die «Ultima Ratio» gegen gewisse invasive Problempflanzen bleiben würden. «Im Zuge des Klimawandels ist zudem mit einer längeren Vegetationsperiode zu rechnen, was den Aufwand für die Vegetationskontrolle weiter steigen lässt», so Reto Schärli.

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