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Automatisierte LKW-Fahrten Schweiz will Platooning nicht einmal testen

Lastwagen sollen digital vernetzt in einem Konvoi fahren. Damit lasse sich Treibstoff sparen, die Verkehrssicherheit werde erhöht und LKW-Fahrer entlastet. Nach anfänglicher Euphorie für diese Innovation folgt jetzt die Ernüchterung.

Lastwagen sollen künftig in einem Konvoi fahren, bei dem die einzelnen Trucks digital miteinander verbunden sind. Foto: zvg

Mit viel Pomp und Getöse führte die EU 2016 eine “Truck Platooning Challenge" durch: Lastwagen von verschiedenen Herstellen fuhren in vernetzten Kolonnen quer durch Europa. Es sollte der Auftakt sein zu einer kleinen Revolution in der Welt der Trucker.

Ziel war es, das automatisierte Fahren von Lastwagen auf ein neues Level zu bringen. Dabei nutzt das Platooning die modernen Assistenzsysteme und vernetzt die Fahrzeuge digital untereinander, so dass nur der führende Lastwagen konventionell fährt, während die folgenden Trucks automatisiert dem Fahrzeug folgen. Geschwindigkeit, Abstand und Spurführung sowie Bremsen und Beschleunigen der Folgefahrzeuge geschieht über die Assistenzsysteme.

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Durch die Vernetzung untereinander soll ein flüssiger und sicherer Verkehr ermöglich werden. Foto: zvg Rapp

Die Schweiz bekundet Interesse

Auch in der Schweiz stiess Platooning auf Interesse - schliesslich wollte man den Anschluss an eine neue Entwicklung nicht verpassen. So erkundigte sich SP-Nationalrätin Marina Carobbio ein paar Monate später beim Bundesrat, ob man diese neue Technik nicht auch auf Schweizer Strassen testen müsste. Schliesslich komme ja auch der Verlagerungsbericht vom 1. Dezember 2017 zum Schluss, dass es vor allem auf der Gotthard-Strassenachse ein Potenzial für selbstfahrende Güterfahrzeuge gebe.

Die Anfrage stiess bei der Landesregierung auf positive Resonanz: Wegen der rasch fortschreitenden Digitalisierung und der zunehmenden Überlastung der Verkehrsinfrastrukturen habe der Bundesrat durchaus Interesse an der Erforschung und am Einsatz neuer technologischer Möglichkeiten, beschied er der Tessiner Politikerin: «Entsprechend steht der Bundesrat auch allfälligen Pilotversuchen für ein Truck Platooning offen gegenüber.»

Weltweit erster Praxistest

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In Deutschland machte man derweil vorwärts: Im Juni 2018 startete weltweit erstmals ein LKW-Platoon im Praxisbetrieb. Das zuständige Bundesministerium förderte das Gemeinschaftsprojekt von MAN Truck & Bus, DB Schenker und der Hochschule Fresenius sogar mit zwei Millionen Euro. Auf der Autobahn A9 zwischen München und Nürnberg fuhren 13 Monate lang zwei elektronisch gekoppelte LKWs und legten dabei eine Strecke von insgesamt 35 000 Kilometer zurück - also fast einmal um die Welt.

«Die Ergebnisse zeigten, dass die Technik funktioniert.»

Unternehmenssprecher von DB Schenker

Und es funktionierte erstaunlich gut, die Schilderung eines Fahrers im Abschlussbericht war fast schon euphorisch: «Sobald ich die Bremsleuchte vom davor fahrenden Fahrzeug gesehen habe, hat bereits das hinterherfahrende Fahrzeug reagiert. Also ich als Mensch hätte nicht einmal geschafft, den Fuss vom Gas zu nehmen.» Die Technik erwies sich als robust: So lag die Verfügbarkeit des Systems bei 98 Prozent. Nur rund 0,5 Mal pro 1000 Kilometer musste es vom Fahrer übersteuert werden. «Die Ergebnisse zeigten, dass die Technik funktioniert und die Erwartungen an mehr Effizienz, mehr Nachhaltigkeit und höhere Sicherheit erfüllen kann», sagt ein Unternehmenssprecher von DB Schenker auf Anfrage.

Er betont aber auch, dass zwar leichte Kraftstoffeinsparungen möglich seien, diese jedoch noch nicht so hoch ausfielen, wie erhofft. Ging man ursprünglich von einer Reduktion des Treibstoffverbrauchs von bis zu 10 Prozent aus, waren es im realen Testbetrieb dann nur noch 3 bis 4 Prozent. Zudem müssten, so der Unternehmenssprecher, für die Umsetzung von LKW-Platoons in grösserem Stil noch viele Voraussetzungen erfüllt sein wie etwa die die Serienreife solch digital aufgerüsteter Truck.

Grosse Skepsis in der Schweiz

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In der Schweiz beauftragte der Bund 2017 die Rapp AG, eine Planungs- und Beratungsfirma, mit einer Machbarkeitsstudie. Dabei hat sich gezeigt, dass unter den heute geltenden gesetzlichen Regelungen und der hohen Dichte an Ein- und Ausfahrten auf den Autobahnen kein effizienter Platoon-Betrieb möglich sei. Allerdings betonten die Studienautoren auch, dass sich unter gewissen Bedingungen durchaus Strecken fürs Platooning eignen würden, insbesondere die grossen Autobahn-Verbindungen West-Ost und Nord-Süd. Das Fazit der Studie: Die Rapp AG empfahl, einen Pilotversuch auf einer Teilstrecke zu starten und aufzuzeigen, wie ein sicherer Platoon-Betrieb in der Praxis funktionieren könnte.

Doch beim Astra will man inzwischen nichts mehr wissen von einem Testbetrieb, wie Sprecher Thomas Rohrbach sagt: «Das Astra wird selber keine solchen Versuche lancieren und entsprechende Begehren von LKW-Herstellern oder der Transportbranche sind bisher bei uns keine eingegangen.» Tatsächlich ist die Branche äusserst skeptisch, wie Astag-Vizedirektor André Kirchhofer betont: «Wir erachten Platooning als nicht geeignet für die Schweiz.» Hauptgrund sei die Kleinräumigkeit des Landes mit kurzen Transportdistanzen - da mache eine Kolonnenbildung keinen Sinn. Man werde sich auch nicht für einen Pilotversuch stark machen, so Kirchhofer: «Es gibt wichtigere Themen wie etwa den Aufbau von Lade- und Tankstelleninfrastrukturen für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb.»

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