Synthetischer Diesel
Revolution an den Zapfsäulen
Synthetischer Diesel wird seit Jahren in einigen Ländern Europas angeboten. Jetzt ist HVO auch in der Schweiz erlaubt. Die SBB haben prompt reagiert, und die erste Tankstelle ist auch schon eröffnet.
Peter Ilg Peter Ilg
Die SBB haben sofort auf Freigabe von synthetischem Diesel reagiert: sie betanken ihre dieselbetriebenen Schienenfahrzeuge mit beigemischtem HVO. Im Foto ist ein Lösch- und Rettungszug zu sehen. Foto: SBB

Im neuen «Bundesgesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen» haben der Nationalrat und das Parlament Anfang April beschlossen, dass die Verwendung synthetischer Kraftstoffe im Strassenverkehr künftig auf die CO2-Flotten-Emissionen der Hersteller angerechnet werden können. Diese Entscheidung ist Teil des revidierten CO2-Gesetzes und steht im Einklang mit dem Schweizer Netto-Null-Ziel bis 2050. Damit sind synthetische Kraftstoffe wie E-Fuels und HVO in der Schweiz erlaubt. In Deutschland wurde der Verkauf von HVO Ende Mai freigegeben. Während E-Fuels noch ganz am Anfang sind, gibt es den nahezu klimaneutralen HVO-Diesel bereits seit Jahren. Er eignet sich für alle Diesel-Antriebe – ob Auto oder Lastwagen – und kann dazu beitragen, die Umweltbelastung zu reduzieren. Was ist HVO, welche Fahrzeugen vertragen diesen Diesel und hat er auch Nachteile? Der VerkehrsMonitor hat Antworten auf die drängendsten Fragen.

Was ist HVO?

HVO steht für Hydrotreated Vegetable Oil – hydriertes Pflanzenöl. Hergestellt wird dieser Treibstoff etwa aus Abfallstoffen wie Altspeiseölen oder Fettresten. Diese werden in einer Raffinerie mittels eines chemischen Prozesses zu Dieselkraftstoff verarbeitet. Bei der Verbrennung wird zwar ähnlich viel CO2 emittiert wie bei fossilem Diesel. Weil dieses Kohlendioxid aber aus nachwachsenden Rohstoffen stammt, ist die CO2-Emissionsbilanz nahezu neutral: HVO reduziert den Kohlendioxid-Ausstoss um bis zu 90 Prozent. CO2-Emissionen entstehen lediglich bei der Herstellung des Kraftstoffs.

Wird HVO100 an der Tankstelle als solcher ausgewiesen, handelt es sich um HVO in Reinform. HVO kann dem Dieselkraftstoff aber auch beigemischt werden. Dann steigen die CO2-Emissionen entsprechend dem Mischungsverhältnis an.

Welche Fahrzeuge vertragen HVO?

In vielen Dieselmotoren kann HVO problemlos eingesetzt werden, vom Pkw bis zum schweren Lkw sowie in Baumaschinen. Moderne Motoren sind grundsätzlich für diese Diesel-Art gerüstet. Technische Anpassungen oder Umrüstungen der Antriebe oder des Tankstellennetzes sind nicht notwendig. Allerdings liegt die Freigabe für Kraftstoffe stets beim Fahrzeughersteller. Laut dem ADAC (Allgemeine Deutsche Automobil-Club) bestehen für Personenwagen solche Freigaben nur für wenige Modelle. Deshalb brauche es «dringend weitere und umfassende Herstellerfreigaben, damit HVO von Verbrauchern angenommen werde».

Die Freigabe ist am aufgeklebten «XTL»-Symbol im Tankdeckel zu erkennen. XTL ist der Oberbegriff von HVO und steht für «X To Liquid». Das bedeutet: Ein beliebiges Ausgangsmaterial wird in einen flüssigen Energieträger umgewandelt. Das «X» ist der Platzhalter für die verschiedenen Rohstoffe, aus denen der neue Kraftstoff gewonnen wird.

Scania Schweiz bietet nach eigenen Angaben die grösste Auswahl an HVO-Motoren für Lastwagen. Aber auch bei Diesel-Motoren für grosse Fahrzeuge ist es wie bei denen für kleinere: die Hersteller müssen sie für das jeweilige Modell freigeben.

Wie verbreitet ist synthetischer Diesel?

In Österreich, in den Niederlanden und in skandinavischen Ländern wird HVO bereits seit einigen Jahren verkauft. In Schlieren ZH hat im März die erste öffentliche HVO-Tankstelle in der Schweiz eröffnet. Der erneuerbare Treibstoff kostet rund 30 Rappen mehr als herkömmlicher Diesel. Zuvor gabs bereits vereinzelte Tankstellen mit Zapfsäulen für HVO, allerdings ausschliesslich für die Industrie. In Deutschland wird der Öko-Diesel seit Ende Mai verkauft. Verfügbar ist er aber nun an wenigen Zapfsäulen, flächendeckend verfügbar wird er wie in der Schweiz erst im Laufe der Zeit sein.

Wer stellt HVO her?

Die grössten Produzent von HVO in Europa sind der finnische Konzern Neste Oil und das italienische Energieunternehmen Eni. Weltweit wurden im vergangenen Jahr rund 18 000 Tonnen HVO produziert. Bis 2026 sollen es knapp 30 000 Tonnen sein, dann stagniert die Produktion mangels Masse an Rohmaterial, so die Prognose. Zum Vergleich: in der Schweiz wurden 2002 rund 2,7 Millionen Tonnen Diesel von Fahrzeugen verbraucht.

Wird HVO für alle Dieselfahrzeuge reichen?

Nein, denn dafür fehlt es an ausreichenden Mengen von Altfetten für den grünen Dieselersatz. Deshalb werden wohl nur bestimmte Fahrzeuge diesen besonderen Kraftstoff vorzugsweise tanken, nämlichall diejenigen, die nur schwer zu elektrifizieren sind. Flugzeuge, Schiffe und teilweise schwere Lastwagen. In Schweden wird HVO seit drei Jahren angeboten, sein Marktanteil ist trotz der erhofften Klimawirkung mit 3,5 Prozent gering. Das liegt am hohen Preis: der Liter kostet dort rund 50 Rappen mehr als normaler Diesel. Deshalb wird der Treibhausgas reduzierende grösstenteils herkömmlichen Diesel beigemischt, anstatt ihn in seiner Reinform zu verkaufen.

Welche Mischverhältnisse sind möglich?

Grundsätzlich ist jedes Mischverhältnis möglich und machbar. Aber um die EN 590 Norm von Diesel einzuhalten, darf nicht mehr als 25 Prozent HVO fossilem Diesel beigemischt werden. Bei einer höheren Rate sinkt die Dichte des Treibstoffs, womit die Dieselnorm nicht mehr erfüllt wäre.

Seit April fliesst aus den Zapfpistolen der SBB-Tankstellen kein reiner fossiler Diesel mehr, denn dem wird HVO beigemischt – und zwar in der maximal möglichen Menge von einem Viertel. Damit wollen die SBB ihren CO2-Ausstoss von dieselbetriebenen Schienenfahrzeugen und Maschinen um dieselbe Menge reduzieren.

Welche Nachteile hat HVO?

Als Treibstoff keine. Da er aus erneuerbaren Quellen hergestellt ist, ermöglicht er eine bessere Klimabilanz. So könnte der fast CO2-neutrale Diesel lange vor dem Verbrenner-Aus der EU im Jahr 2035 den Ausstoss von Kohlendioxid spürbar reduzieren.

Das technische Problem ist der Dieselmotor selbst. Der kommt bestenfalls auf einen Wirkungsgrad von 45 Prozent. Der Wirkungsgrad gibt das Verhältnis an, wie viel der zugeführten Energie bei Maschinen am Ende auch in nutzbare Energie umgewandelt wird. Der grösste Teil der erzeugten Energie verpufft somit im Diesel etwa als Abwärme. Beim Benziner ist der Energieverlust sogar noch höher. Ein Elektromotor kommt nach Informationen vom TÜV-Nord (Technischer Überwachungsverein) auf einen Wirkungsgrad von etwa 65 Prozent und ist damit sehr viel effizienter als ein Fahrzeug mit konventionellem Verbrennungsmotor.

 
Laden von E-Bussen mit Bahnstrom
Postauto und SBB stoppen kurz vor dem Start gemeinsames Projekt
Anfang August 2023 informierten Postauto und die SBB, dass sie gemeinsam am Bahnhof Gelterkinden (BL) eine Pilotanlage für das Laden von E-Bussen mit Bahnstrom realisieren wollen. Im Dezember 2025 sollte die Pilotanlage in Betrieb gehen. Kurz vor dem Bau der Anlage wird das Projekt nun gestoppt.
Franziska Frey Franziska Frey
E-Postautos werden auch in Zukunft nicht mit Bahnstrom geladen. Foto: zvg

Es hat so naheliegend und vielversprechend getönt, doch nun ist bereits vor dem eigentlichen Projektstart Schluss damit: Postauto und die SBB verzichten darauf, ihr gemeinsames Projekt «Aufladen von Elektrobussen mit Bahnstrom» weiterzuverfolgen. Darüber informierte Dominik Saner, Leiter Nachhaltigkeit von Postauto, gestern Mittwoch im Rahmen seines Referates an der VöV-Tagung Bus24 in Thun.

Rund ein Prozent aller Verkehrsemissionen in der Schweiz stammen von Postauto. Ein Umstand, den das grösste Busunternehmen der Schweiz ändern will: Bis 2040 will Postauto seine gesamte Flotte von 2 400 Fahrzeugen auf Elektrobusse umgestellt haben.

Eine der grössten Herausforderungen dabei: Für das Aufladen der Fahrzeuge wird eine enorme Menge an Strom benötigt. Naheliegend deshalb die Idee von Postauto und SBB, Restkapazitäten aus dem Bahnstrom ausserhalb der Leistungs- und Verbrauchsspitzen der SBB für das Aufladen von Elektrobussen zu nutzen. Eine typische Lok RE460 der SBB benötigt zum Anfahren kurzzeitig 6 MW Leistung. Mit derselben Leistung könnten am selben Ort 20 Elektrobusse schnell geladen werden.

Weiterer Vorteil: Viele Postautolinien enden bei Bahnhöfen. Dort halten die Postautos üblicherweise länger. Gute Voraussetzungen also zum Zwischenladen der E-Busse. Hundert solcher Postauto-Endhaltestellen bei Bahnhöfen wären von ihrer Eignung her als Zwischenlade-Stationen in Frage gekommen.

Ein Pilotprojekt sollte Aufschluss über technische Umsetzbarkeit geben und Fragen zur Finanzierung und zum Bau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur beantworten.

Vorgesehen war, im Dezember 2025 auf den Fahrplanwechsel in Gelterkinden (BL) eine entsprechende Test-Ladeanlage mit fünf Pantografen in Betrieb zu nehmen, um die dort im Einsatz stehenden Busse aufzuladen. Von den aus dem Testbetrieb gewonnenen Erkenntnissen hätten auch andere Transportunternehmen profitieren sollen. Das Bundesamt für Verkehr (BAV), das Bundesamt für Energie (BFE) und die Regulierungsbehörde im Elektrizitätsbereich (ElCom) hatten für die Pilotanlage in Gelterkinden grünes Licht gegeben.

«Wir haben von allen Seiten teils starke Widerstände gespürt.»
Dominik Saner, Leiter Nachhaltigkeit Postauto

Nun haben Postauto und SBB dennoch entschieden, das Thema Aufladen von Elektro-Postautos mit Bahnstrom zu beenden, bevor das Projekt überhaupt richtig gestartet werden konnte. «Wir standen kurz vor dem Plangenehmigungsverfahren», so Saner.

Zu grosse Widerstände und zu wenig Potenzial

«Wir haben von allen Seiten teils starke Widerstände gespürt», so Dominik Saner. Einerseits seien diese von den Energieversorgern gekommen. Dass den Widerständen von Seiten Energieversorgern wirtschaftliche Interessen zu Grunde liegen, ist wohl nicht von der Hand zu weisen. Zudem wären diese vermutlich mit dem Fortschreiten des Projektes nicht kleiner geworden.

Andererseits kamen die Widerstände auch von Seiten der Behörden. Was wohl auf diesen Umstand zurückzuführen ist: Die Nutzung von Bahnstrom durch bahnfremde Unternehmen ist mit den derzeit geltenden regulatorischen Bestimmungen nicht vorgesehen. Diese hätten entsprechend überarbeitet und angepasst werden müssen.

«Wir haben das Potenzial für die Zwischenladungen überschätzt.»
Dominik Saner, Leiter Nachhaltigkeit Postauto

Als Hauptgrund für den Verzicht nennt Saner jedoch dies: «Wir haben das Potenzial für die Zwischenladungen überschätzt.» Eine Elektrifizierungs-Simulation habe nebst anderen Punkten die optimale Ladetechnik aufgezeigt. «Schlussendlich geht es darum, genügend Energie im System zu haben», so Saner. Entweder bringe man diese mit Zwischenladung ins System oder aber mit zusätzlichem Speicher, in diesem Fall also mit weiteren Bussen. «Es war ein Abwägen zwischen Aufbau der Infrastruktur oder aber dem Beschaffen von zusätzlichen Bussen», erklärte Saner. «Wir haben uns schlussendlich – auch aufgrund der betrieblichen Flexibilität – für zusätzliche Busse entschieden», führte er weiter aus. Deshalb hätten Postauto und SBB sich dazu entschieden, von der Idee «Aufladen von Elektrobussen mit Bahnstrom» Abstand zu nehmen und das Projekt einzustellen.