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Nachtbus-Betreiber Twiliner Luxus-Nachtbusse sollen das Reiseverhalten ändern

Das Zürcher Start-up Twiliner will das Reisen umweltfreundlicher machen und die Reisenden vom Flugzeug in den Bus bringen. Im Gespräch mit dem VerkehrsMonitor erklärt Luca Bortolani, CEO und Mitgründer von Twiliner, wie das funktionieren soll.

Am Morgen entspannt in einer europäischen Stadt ankommen: die komfortablen Liegesitze in den Twiliner Nachtbussen sollen es möglich machen. Foto: zvg

Er kommt im dezenten, stylischen Dunkelviolett daher. Mit seinen etwas über 14 Metern ist der doppelstöckige Bus zwar ungewöhnlich lang, sieht jedoch von aussen ganz normal aus. Was sich von seinem Innenleben nicht behaupten lässt: Dieses ist mit insgesamt 21 komfortablen Sitzen ausgestattet, die mit einem Abstand von zwei Metern zueinander eine grosse Beinfreiheit garantieren. Zudem bietet jeder Sitz einen kleinen Tisch zum Arbeiten oder Essen und ein persönliches Gepäckfach. Der grösste Pluspunkt der Sitze liegt jedoch woanders: Ähnlich wie jene in der First Class eines Flugzeuges, lassen sie sich per Knopfdruck in ein bequemes Bett verwandeln und ermöglichen damit eine ganz neue Art des Nachtbusreisens.

Nachtreisen in Europa neu gedacht

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Mit diesen Bussen will das Zürcher Start-up Twiliner das Reisen in Europa revolutionieren. «Unser Antrieb war die Klimaproblematik und die damit einhergehende Überzeugung, dass Reisen dringend umweltfreundlicher werden muss», erklärt Luca Bortolani, Mitgründer und CEO von Twiliner. Überzeugt davon, dass dies nur mit attraktiven Alternativen zum Flugzeug zu bewerkstelligen ist, hat er zusammen mit der Mitgründerin und heutigen Verwaltungsrätin von Twiliner, Elisabeth Frey, mögliche Varianten skizziert. «Die Idee der Nachtbusse fanden wir am vielversprechendsten», so der Unternehmer.

Um die Anforderungen und Bedürfnisse der künftigen Kundinnen und Kunden zu eruieren, wurde in einer Umfrage ermittelt, was ein Nachtbus bieten muss, damit er dem Flieger vorgezogen wird. Klares Resultat: Die Sitze müssen komfortabel sein und beispielsweise auch ein bequemes Arbeiten ermöglichen. Und: Sie müssen sich einfach zu einem richtigen Bett umfunktionieren lassen.

Die Idee war geboren, 2021 wurde Twiliner gegründet. Dem Kernteam gehören drei Mitarbeiter an, heute immer noch dieselben wie bei der Gründung. Seit über drei Jahren ist das Team mit vereinten Kräften daran, die Idee der luxuriösen Nachtbusse Wirklichkeit werden zu lassen. Und ist mehrmals kurz vor dem Aufgeben gestanden. Dies insbesondere wegen den regulatorischen Bedingungen und den zu erfüllenden Normen.

Sicherheitssystem entpuppt sich als Achillessehne

Der grösste Pluspunkt der Busse hat dem Team während langer Zeit auch das meiste Kopfzerbrechen bereitet: die Liegesitze. Konkret: das Sicherheitssystem der Liegesitze. «Es stellte sich heraus, dass es keinen Sitz in dieser Art gibt, der für den Strassenverkehr zugelassen ist», erklärt Luca Bortolani. «Und es konnte uns auch kein Bushersteller, kein Sitzhersteller und keine Zulassungsbehörde sagen, wie ein solcher Sitz gebaut sein muss, damit er zugelassen werden kann.» Das Projekt stand vor dem Aus.

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Durch Zufall und gerade noch rechtzeitig kam der Migros Pionierfonds ins Spiel, der «Pionierprojekte fördert, die grundlegender Abklärungen und Forschungsarbeit bedürfen», so Bortolani. «Dies hat uns ermöglicht, die notwendige Grundlagenforschung zu tätigen und zusammen mit der Fachhochschule Bern und weiteren Partnern ein Sicherheitssystem zu entwickeln, das sowohl in Sitz- als auch in Liegeposition bei einem Unfall die gleiche Sicherheit bietet,» so der Unternehmer.

Sicherheitsgurte durften es nicht sein, weil man dort im Falle eines Unfalles durchrutschen könnte und die Gurten zu schweren Verletzungen führen könnten. «Wir mussten das Sicherheitssystem ganz neu denken», führt Bortolani aus.

Das Twiliner-Team an seinen Arbeitsplätzen in einer ehemaligen Zahnradfabrik in Zürich Hardbrücke. Im Vordergrund Luca Bortolani, CEO und Mitgründer des Start-ups, im eigens entwickelten Liegesitz. Foto: Silas Zindel

Das Rückhaltesystem für die Liegeposition ist mittlerweile zum Patent angemeldet, eins davon ist bereits veröffentlicht. Und das System ist gefragt, Twiliner hätte es bereits fast in die ganze Welt verkaufen können: «Wir hatten Anfragen von Mexiko bis Indien, aber es ist nicht unser Ziel, das System zu verkaufen» so Bortolani.

Auch die ersten Busse sind im Bau und es ist nun definitiv: Die Nachtbusse werden kommen. Die Freude darüber, dass ab Frühling 2025 die ersten beiden Linien auf Fahrt gehen werden, steht Luca Bortolani deutlich ins Gesicht geschrieben. Seine Augen sprühen vor Begeisterung.

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«Wir sprechen ein sehr breites Zielpublikum an.»

Luca Bortolani, CEO Twiliner

«Starten werden wir mit zwei Linien: Eine wird Brüssel, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam bedienen, die zweite Linie Girona und Barcelona», so Bortolani. Natürlich starten alle in der Schweiz, der Zustieg kann in Zürich, Bern und Basel erfolgen.

Fehlen nur noch die Kunden. Aber auch die werden kommen, ist Luca Bortolani überzeugt. «Wir sprechen ein sehr breites Zielpublikum an.» Ob Geschäftsreisende, Städtereisende, die ihr Ziel ökologischer als mit dem Flugzeug erreichen möchten, Kunden mit sperrigem Gepäck oder solche, die eine Nacht im Hotel einsparen wollen: Die Reise mit dem Nachtbus bietet sich für viele an.

Aus Gesprächen wüssten sie zudem, dass grosse Schweizer Firmen oder die Bundesverwaltung ihren CO2-Ausstoss reduzieren wollen. «Bei vielen Firmen geht ein beträchtlicher Anteil ihres CO2-Ausstosses auf das Konto der Dienstreisen ihrer Mitarbeitenden und das wollen sie ändern», erklärt Bortolani. Zudem würde es immer mehr Leute geben, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr fliegen möchten. «Einige haben Flugangst, andere möchten möglichst bequem reisen», so Borotolani. Für viele würde fliegen auch Stress bedeuten.

Twiliner will hauptsächlich auf Destinationen und Linien setzen, die nicht von einem Nachtzug bedient werden. Sonst würde es schwieriger werden, die potentiellen Kunden vom Nachtbus zu überzeugen, ist sich Bortolani bewusst. So aber stehen die Chancen gut, dass das neue Angebot Anklang finden wird. Er betont, dass täglich zwischen 2000 und 3000 Menschen von Zürich nach Barcelona reisen. «Ich glaube, dass wir es schaffen, dass sich zwanzig davon für die Reise mit Twiliner entscheiden», zeigt sich Bortolani zuversichtlich.

Erste Anzeichen, dass das neue Angebot funktionieren wird, liefert zudem der early bird sale, der seit rund einem Monat auf der Webseite von Twiliner aufgeschaltet ist. Innerhalb eines Monats wurden hunderte Tickets zum Preis von 160 Franken statt 230 Franken für eine einfache Fahrt verkauft. Und dies für ein Angebot, das erst in rund 10 Monaten startet.

Bortolani zeigt sich sehr zufrieden mit diesem Absatz: Für Twiliner sei der Vorverkauf insbesondere ein Messinstrument gewesen, so Bortolani. «Dass so lange zum Voraus bereits so viele Tickets verkauft wurden, motiviert uns sehr und verpflichtet auch.»

«Nun müssen wir liefern.»

Luca Bortolani, CEO Twiliner

Die Leute hätten nun für eine Dienstleistung bezahlt und würden daran glauben. «Nun müssen wir liefern», so der CEO von Twiliner. Mittlerweile seien auch erste Investoren an Bord. «Das Geschäft beginnt nun anzulaufen», zeigt sich Bortolani optimistisch.

Damit eine Fahrt rentabel betrieben werden kann, muss Twiliner 13 Plätze zum Preis von 230 Franken verkaufen. «Wenn wir mehr verkaufen, werden wir auch die Preise etwas runtersetzen können», erläutert Bortolani. Die Ticketpreise werden sich auch für künftige Destinationen ungefähr in diesem Rahmen bewegen, weil alle Destinationen in einem Umkreis von 800 bis 1100 Kilometer liegen werden. «Ob es 200 Kilometer mehr oder weniger sind, fällt ab einer gewissen Distanz nicht mehr so ins Gewicht», erklärt der Unternehmer.

«Busse sind für die Expansion ideal, da sie flexibel sind.»

Luca Bortolani, CEO Twiliner

Für die Zukunft schwebt dem Start-up Grosses vor: Ob Glasgow, Malmö oder Palermo – sie alle stehen auf der Wunschliste des Unternehmens. Bis 2027 will Twiliner bis zu 27 weitere Destinationen in Europa anfahren. «Busse sind für die Expansion ideal, da sie flexibel sind», so Bortolani. Auch weitere Einsatzmöglichkeiten sind bereits angedacht. Durchaus möglich, dass die Busse dereinst auch gechartert werden können. Beispielsweise von Sportmannschaften, Reisebüros, Firmen oder aber auch von Privatpersonen.

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