SmartCars Das fahrende Smartphone ist angekommen
Das iCar von Apple spukt seit Jahren in der Autowelt herum. 2028 soll es doch noch kommen. Schon da mit SmartCars sind die chinesischen Smartphone-Hersteller Xiaomi und Huawei.
Das Apple Car-Projekt namens Titan war in den letzten Jahren verschiedenen Gerüchte-Zyklen unterworfen. Realität geworden ist bis heute nichts. Immer wieder tauchten Gerüchte, ja sogar Zeichnungen auf, und dann war wieder nichts.
Einmal war die Rede von einem High-End-Prozessor mit der vierfachen Leistung von vier Mac-Chips, bestehend aus neuronalen Prozessoren, die unglaubliche KI-Leistungen bewältigen können, die für autonome Fahrzeuge nötig sind. Apple hatte ursprünglich geplant, ein Fahrzeug ohne Lenkrad und Pedale zu entwickeln, das eigenständig (Level 4) funktioniert.
2022 wurde bekannt, dass Apples Plan für ein derart vollständig autonomes Fahrzeug nicht aufgeht. «Ich glaube nicht, dass wir da noch was sehen werden», sagt Professor Ferdinand Dudenhöffer, Direktor CAR Center Automotive Research in Bochum. Laut einem Bloomberg-Artikel soll das iCar jetzt ein Downgrade auf Stufe 2+ erfahren haben und 2028 auf den Markt kommen.
2028 macht insofern Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Donald Trump am 5. November Präsident wird. Ist das der Fall, hat das Elektroauto in den USA vorerst für vier Jahre einen schweren Stand. «Die staatliche Elektroautoförderung sei ein Anschlag auf die ganze Branche», sagte Trump vor wenigen Wochen bei einem Auftritt in einer Werkshalle im Bundesstaat Michigan vor streikenden Automobilarbeitern. Und: «Die Autoindustrie wird ermordet.»
Wehe, wenn Trump kommt
Wesentlich irdischer und greifbarer sind die chinesischen Smartphone-Hersteller in der Autowelt unterwegs. Sie müssen sich nicht vor einem E-Mobilitäts-feindlichen Präsidenten fürchten, der ihre Investitionen und Entwicklungen lächerlich macht – ganz im Gegenteil. In China ist E das A und O und die Volksrepublik auf dem Weg zur dominierenden Weltmacht punkto elektrische Automobilität.
Xiaomi, der chinesische Smartphone-Riese, hat kürzlich den SU7 auf den Markt gebracht. Nur wenige Tage nachdem Huawei ein weiteres eigenes Auto, den Aito M7 lanciert hatte. «Smartphone-Hersteller, sprich Tech-Unternehmen sind die neuen Anbieter und Game-Changer im Automarkt», sagt Dudenhöffer in einem Online-Interview. Die Zukunft des Autos hat sehr viel mit Digitalisierung und digitalen Welten zu tun. «Das Auto wird quasi eingebunden in ein Operating System, eine digitale Welt, die von der Waschmaschine über den Fernseher, das Büro, das Zuhause bis in den Urlaubsort reicht.»
Beim Auto der Zukunft geht es längst nicht mehr nur um PS, Komfort, Design, Fahrwerk etc. Autonomes Fahren ist eine zentrale Funktion. Ein hohes Mass wird hier durch Wahrnehmungs-Algorithmen ermöglicht, zu denen eine fortschrittliche Hinderniserkennung und maschinelles Lernen von Fahrstilen und Fahrgewohnheiten gehört. Für das autonome Parken der nächsten Generation wird ein fortschrittliches KI-Modell eingesetzt, das eine Echtzeitbeobachtung und dynamische Anpassung auch in anspruchsvollen Szenarien ermöglicht.
Ein anderes grosses Thema beim Auto der Zukunft ist das Smart Cockpit mit Voice Control – nichts mehr von Hebel und Knöpfen und staksigem Sprachbefehlston – einfach drauflos sprechen und sich mit dem Auto unterhalten, als ob da eine Person nebendran sässe. Dank KI versteht einen das Auto. Das Auto wird zum immer gut gelaunten, hilfreichen, die Bedürfnisse des Fahrers oder der Fahrerin voraus erkennenden Beifahrer, der fast über alles Auskunft geben kann oder selbstständig Termine (im Restaurant oder beim Coiffeur z.B.) vereinbart. Und fahren kann es nebenbei auch noch. «Alles, was ich bisher in China punkto Software und Smart Cockpit gesehen habe, war von hervorragender Qualität», sagt Dudenhöffer.
Autobauer werden zu Zulieferern
Der Gründer, Vorsitzende und CEO des drittgrössten Handyherstellers der Welt, Lei Jun, hat anlässlich einer fast dreistündigen Präsentation des SU7 gesagt, dass Xiaomi bereit ist, die «jahrhundertealte Automobilindustrie» durch Investitionen in grundlegende Kerntechnologien aufzurütteln, mit dem hohen Ziel, Xiaomi an die Spitze zu bringen. «Ich bin überzeugt, dass eines Tages Xiaomis auf allen Strassen dieser Welt unterwegs sein werden», so Lei Jun. Gemäss ihm ist der Einstieg von Xiaomi in die Automobilindustrie ein bedeutender Schritt von der Smartphone-Industrie zum Schliessen des Kreislaufs des intelligenten Ökosystems aus dem Triumvirat Mensch - Auto - Haus.
Dabei geht es nicht darum, dass Apple, Xiaomi, Samsung oder Huawei Autos von A-Z bauen. «Die Autobauer werden so Stück für Stück zu Zulieferern der Tech-Unternehmen», sagt Dudenhöffer. Xiaomi arbeitet mit Beijing Automotive Group BAIC, einer der grössten staatlichen Automobilkonzerne, zusammen. Huawei seinerseits stellt mit Seres Autos der Marke Aito her, darunter das Modell M7. Ausserdem hat Huawei mit dem chinesischen Autobauer Chery die Limousine S7 unter dem neuen Markennamen Luxeed gebaut, die als Konkurrent zum Model S von Tesla positioniert werden soll. Die Kerntechnologien und Ressourcen seiner Smart-Car-Sparte hat Huawei in ein neues Gemeinschaftsunternehmen transferiert, das zu 40 Prozent dem Autobauer Changan gehört.
Das Innenleben, das Betriebssystem, die Software, die Akkutechnik, die Sensorik, die Algorithmen und alles, was sonst für die Einbindung und Entfaltung des Automobils 2050 im digitalen Kosmos notwendig ist, kommt vom Smartphone-Unternehmen. Das Spiegeln des Telefons auf dem Infotainment-Bildschirm ist dann nur noch die leichteste Übung. Es wird möglich, ein gesamtes intelligentes Haus vom Auto aus zu steuern – Lichter, Schlösser, Fenster, Roboterstaubsauger, Kühlschrank, Heizung und Klimaanlage.
Dank dem gemeinsamen OS mit dem Smartphone Anbieter wird die Uhr oder das Handy der Schlüssel zum Auto. Via Smartphone lässt sich beim Auto der Batteriestatus überprüfen, Fenster schliessen oder öffnen, die Türen verriegeln oder den Innenraum vorkonditionieren. Irgendwann wird ihm seinen Standort angeben können uns es kommt selbstständig angefahren vom Parkplatz, den es sich selber ausgesucht hat. Was auch immer man früher im Auto tun musste/konnte, kann man Remote erledigen. Hierzu auch das Stichwort: Over-the-air-Update, wie beim Handy schon lange vielen Menschen bekannt. «Die mechanische Entwicklung des Fahrzeugs wird in Zukunft nicht mehr so wichtig sein, wie in den letzten Jahrzehnten.»
Entsprechend werden die, die das wollen, das Auto der Zukunft auch im Handyshop kaufen können und müssen nicht mehr in eine Garage im abgelegenen Industriequartier. Den Marktstart hat Xiaomi mit Anfang 2024 angegeben. Wann wir den SU7 und andere chinesische Smart Cars auch auf europäischen Strassen fahren, ist noch offen.
Michael Schenk aus Burgdorf BE. Redaktor seit 1990. Zuvor bei Berner Zeitung (Ressortleiter Regionalsport), CH-Media (Aargauer und Solothurner Zeitung), Automobil Revue (Chefredaktor), Solothurner Woche (Chefredaktor). Themenschwerpunkte Mobilität, Technik, Verkehr, Sport.
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